Mittwoch, 17. Oktober 2012

Das Date


Du bist zu früh. Du bist immer zu früh. „Lieber 30 Minuten zu früh, als 5 Minuten zu spät“ sagst du immer. Manchmal fragst du dich ob du auch so pünktlich auf die Welt gekommen bist und nimmst dir vor deine Mutter das nächste Mal wenn du sie siehst danach zu fragen. Aber wie so vieles hast du es bis dahin längst wieder vergessen. Als würdest du in deiner Wohnung in einen anderen Raum gehen und nicht mehr wissen warum du in den Raum gegangen bist. Du nimmst dir vor wieder mehr Memory zu spielen.

Die Bedienung war da. Du hast dich in Gedanken auf einen guten Platz gesetzt, die Wand hinter dir, die anderen Menschen im Aus und das Fenster im Blick. Du bestellst ein Bier, du bestellst am Anfang immer ein Bier, aber du beschließt erst etwas zu trinken bis sie da ist. Sie. Sie hat noch mehr als genug Zeit um pünktlich zu sein. Ob sie pünktlich ist weißt du nicht. Sie hatte dich angesprochen.

Eigentlich wolltest du sie ansprechen. Hast abgewogen ob du sie überhaupt ansprechen sollst, ob sie überhaupt reden will. Du deutest ihre Blicke so als hätte sie nichts dagegen, und legst dir deine Wörter zurecht. Dabei vermeidest du sie anzusehen. Schließlich bist du zufrieden mit dem was du von dir geben wirst und schaust sie an. Sie sieht gut aus. Doch bevor du sie fragen kannst ob sie reden möchte redet sie. Mit dir. Nachher weißt du nicht mehr worüber, aber du bist froh. Vermutlich schafft sie es mit mehr Menschen zu reden als du, aber das ist dir Recht. Du magst keine Menschen. Aber sie magst du. Irgendwie schaffst du es am Ende ihre Handynummer zu bekommen. An ihren Händen war kein Ring, also hast du sie nach einem Date gefragt. Sie ist anders als die anderen, du willst sie näher kennenlernen.

Du warst schon sehr lange auf keinem Date mehr. Weil du neu in dem Ort bist und den Laden nicht kennst gehst du früher los als eigentlich nötig. Lieber 30 Minuten zu früh, als 5 Minuten zu spät. Du hast deine Anzugsschuhe und dein Lieblingstshirt an. Bisher ist es bei Frauen immer gut angekommen. Denkst du jedenfalls. Die Kellnerin bringt dir dein Bier und macht einen Strich auf deinen Bierdeckel. Du ignorierst sie. Du musst dein Date planen. Wenn sie ankommt wirst du aufstehen und sie umarmen, vielleicht mehr lächeln als du solltest und ihr aus der Jacke helfen. Wenn sie fragt wie lange du schon hier bist sitzt du erst seit ein paar Minuten hier, du hast extra noch nichts getrunken damit du mit ihr anstoßen kannst. Dabei wirst du ihr in die Augen gucken und vielleicht mehr lächeln als du solltest. Du nimmst dir vor ab sofort auf dein Lächeln zu achten. Aber du vergisst es wieder. Du solltest mehr Memory spielen. Wenn ihr beide dann sitzt wirst du weit ausholen um ihr näher zu kommen. Sie ist nur ein Jahr jünger als du. Du freust dich, ohne dabei zu viel zu lächeln.

Sie hat noch 10 Minuten wenn sie pünktlich ist. Du überlegst ob du doch einen Schluck trinken sollst. Aber du entscheidest dich dagegen. Du denkst daran wie deine Mutter dir immer erzählt hat dass sie früher ewig an ihrem Getränk genippt hat, da man ohne eines herausgeworfen wurde. Deine Mutter konnte sich früher nicht viele Getränke leisten. Du denkst kurz darüber nach dass Frauen es heutzutage viel einfacher haben und sich alles ausgeben lassen können. Es gibt ja genug Männer mit Geld. Du bist nicht besonders reich, aber du nimmst dir vor den Abend heute für euch beide zu bezahlen. Du überlegst was sie wohl trinken wird und studierst die Speisekarte. Dabei denkst du darüber nach wie wohl jemand aussieht der alleine vor einem vollen Bierglas sitzt und überlegt was er als nächstes bestellen soll. „Ich habe kein Problem mit Alkohol. Nur ohne.“

In deiner Hosentasche vibriert es. Du zuckst kaum merkbar, aber gewinnst sofort wieder Kontrolle über deinen Körper und bleibst erst einmal ruhig sitzen. Langsam legst du die Speisekarte wieder in ihre Halterung. Deine Gedanken rasen. Was wenn sie absagt? Bestimmt kommt sie nur etwas zu spät weil sie ihren Bus verpasst hat. Oder ist es deine Mutter die irgendetwas wissen will? Eventuell ist es ja einer deiner Freunde die dich am Rechner vermissen. Dir fällt ein dass ihr eigentlich heute zusammen zocken wolltet. Du schämst dich kurz und nimmst dir vor wieder mehr Memory zu spielen. Ob sie wohl auch so viel vor dem PC sitzt wie du? Oh Gott, was wenn sie wirklich abgesagt hat? Deine Hand fährt langsam in deine Hosentasche und sucht nach deinem Handy. Die Taschen der Jeans sind dir eigentlich zu klein, aber die andere ist in der Wäsche. Schlussendlich hältst du dein Handy in deinen Händen. „Liebe o2 Kunden!“. Du bist kurz wütend, aber die Erleichterung legt sich langsam über die Wut. Du lächelst etwas mehr als du solltest. Du steckst dein Handy weg. Du willst wissen wie viel Uhr es ist und holst dein Handy wieder hervor.

Mittlerweile ist sie 2 Minuten zu spät. Du hättest doch einen Schluck trinken sollen. Vor allem nach dem Schock der SMS. Du überlegst wie aufdringlich eine SMS wäre in der du sie fragst ob alles ok ist. Ob sie noch kommt. Sie muss einfach kommen denkst du. Schließlich magst du sie. Wie soll man weiterhin an die Menschheit glauben können wenn man nicht die Menschen mögen kann die man mag? Du verwirfst die Gedanken. In der Kneipe läuft „are you gonna be my girl“. Dir fällt die Ironie nicht auf, weil du in deinem Geiste Gitarre spielst. Du hast sogar eine zu Hause stehen. Aber eine akustische. Die du nicht spielen kannst. Als du zuletzt motiviert warst ist eine Seite gerissen und du vergisst immer dir neue zu kaufen. Du solltest mehr Memory spielen.

10 Minuten. Du hast keine Lust nervös zu werden. Nicht noch nervöser. Aber du trinkst einen Schluck von deinem Bier um dich zu beruhigen. Du hättest es fast sofort wieder ausgespuckt. Die Höflichkeit ist mit der Kohlensäure tanzen gegangen, und nun sind beide verschwunden. Du leerst das Gesöff mit wenigen Schlucken. Sie wird den zweiten Strich auf dem Deckel gar nicht bemerken. Der Plan ist perfekt. Du hoffst dass die Kellnerin auch so denkt und schnell bemerkt wie leer dein Glas ist. Als sie kommt bestellst du zwei Bier. Damit sie auch eins hat wenn sie ankommt, und ihr direkt anstoßen könnt. Als die beiden Gläser vor dir stehen klopft die Panik auf deine Schulter. Was wenn sie gar kein Bier haben will? Du trinkst es schnell aus. Du lächelst etwas mehr als du solltest, dein Plan ist wieder perfekt. Du hast das 2te Glas vergessen. Du solltest mehr Memory spielen. Fieberhaft suchst du nach einer Lösung das Glas loszuwerden. Du einigst dich darauf einfach auf die Toilette zu gehen und das Glas dabei auf den Tresen zu stellen. Aber was wenn sie in der Zeit den Laden betritt und dich nicht findet? Der Gedanke sorgt dafür dass du sitzen bleibst. Du schiebst das leere Glas zur Seite. Soll die Panik doch daraus trinken. Doch als du zur Seite schaust siehst du nur deinen Drang auf die Toilette zu gehen. Na toll. Du hörst auf zu denken, trinkst dein dritte Bier auf ex, stellst beide Gläser auf den Tresen und gehst auf die Toilette. Immerhin ist sie nicht der einzige Mensch der unpünktlich sein kann, soll sie halt warten falls sie in der Zeit kommt. Der Plan ist perfekt. Du lächelst. Memory.

Als du wieder auf deinem Platz sitzt ist sie noch nicht da. Dein Trotz verbietet dir eine SMS zu schreiben. Du bestellt noch zwei Bier. Damit ihr beide anstoßen könnt. Der Plan ist perfekt. Du wartest.

Der Plan ist scheiße. Du leerst beide Gläser, bezahlst, und gehst. Dein Trinkgeld ist etwas höher als es sein sollte. Memory. Die Handynummer der Kellnerin auf der Rechnung übersiehst du. Du gehst so schief wie dein Plan gegangen ist nach Hause. Du hasst Menschen.

5 Tage später bekommst du eine SMS. Man hätte sie angefahren, sie sei im Krankenhaus. Sie würde sich über einen Besuch freuen.

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